[Review] Dune (1984) von David Lynch in der Ultimate Edition (4K-UHD & Blu-ray)
Fear is the mind-killer heißt es in der Litany against fear, oder übersetzt: Angst tötet den Geist, Furcht hemmt das Denken. Und bekanntlich sind die Gedanken ja frei und dass man für das Denken nicht gehängt werden kann, wusste nicht nur Goethe, sondern auch Paul Atreides, um den es in diesem Science-Fiction-Klassiker aus der Feder von Frank Herbert unter anderem geht, welcher von Koch Films nun in einer Ultimate Edition mit gefühlt tausendjähriger Veröffentlichungsverspätung und allem drum und dran daherkommt, um das Universum des wahren Science-Fiction-Fans endlich mit einer Lücke zu schließen, die sich seit David Lynchs Entscheidung für den Fan immer falsch angefühlt hat, als er für eine Studioschnittfassung den Alias Alan Smithee verwendete, den Regisseure manchmal wählen, um zu kennzeichnen, dass das fertige Produkt nicht mit ihrer Vision übereinstimmt.
Und die Vision von Dune fängt nicht nur im mehrbändigen Roman-Epos von Frank Herbert an, sondern in der Produktionsgeschichte eines Mammutprojektes, das kein anderer als unter anderen Alejandro Jodorowsky realisieren wollte, der Mann, der für die Miterfindung des harten und anspruchsvollen Mitternachtskinos bekannt wurde und seinen halluzinierenden Filmen El Topo oder Der magische Berg, welche das Kino mit einer psychedelischen Leidenschaft bereichert haben, die weit jenseits eines verbrämten Hippietums gehen, sondern in die Abgründe unseres Geistes. Fear is the mind-killer, nochmal. Jodorowsky, der alte Schamane und Tarotspezialist ist sicherlich der Künstler, der uns mit seinen über 90 Jahren immer noch zeigt, dass der Geist nicht nur im Alter frisch ist, sondern unendlich in seiner Kreativität.
Jodorowskys Dune-Projekt, wie alle ätherischen und avantgardistischen Projekte der Menschheit, stand unter keinem guten Stern und die grauen Herren der Produktion und der Wirtschaftlichkeit töteten ein Konzept, das letztlich Jodorowsky fast selbst vom Glauben abfallen ließ, so aber definnitiv eine lange Zeit vom Filmemachen fernhielt. Wer mehr über die Hintergründe des ursprünglichen Films wissen möchte greife zur erhellenden Dokumentation Jodorowsky’s Dune (2013). Denn Jodo wollte den Jahrhundertkünstler Salvador Dali als Kaiser spielen lassen und ließ vom ebenfalls Jahrhundertkünstler H. R. Giger die Designs erschaffen, welche man noch immer im Film sieht und die geneigten Fans aus Alien kennen und verehren.
Tja, und nun haben wir von einem verhunzten, auf Video und DVD, wie auch Blu-ray in unzähligen Scheiß-Editionen verwurstetes Werk aus der Grabbelkiste eine Ultimate-Edition in UHD, die um die 100€ kostet? Das ist nicht nur Größenwahn, wie ihn Jodorowsky schätzte, sondern auch der Größenwahn von Koch Films, die sich fast überhoben hätten, wären sie nicht die wohl edelste Filmträgerschmiede in Deutschland, die uns nicht nur geniale Ultimate Editions zu Mandy oder Die Farbe aus dem All geschenkt haben, sondern den Namen Ultimate Edition erst erfunden haben.
Es bleibt nichts anderes zu sagen, als rein Verpackungs- und inhaltstechnisch den Hut zu ziehen und sich zu verneigen vor dieser Veröffentlichung, die ich in der Art noch nicht in meiner Sammlung zu Hause habe und die nun auf einem Sandthron über dem Fernseher prangt, ganz so, als gäbe es die kongeniale Neuverfilmung von Denis Villeneuve nicht. Übrigens, wo wir bei Neuverfilmung und verbrämter Erstverfilmung sind, Villeneuve zollte nicht nur Jodo Tribut, sondern auch Lynch und wahre Fans wissen seit jeher, dass hier nicht Alan Smithee steht, sondern Lynch selbst, für den das Werk zwar ungewöhnlicher ist, weil auf den Schultern anderer Giganten stehend, für das er aber doch zum Messias wurde, der Gottes Werk gerettet hat, fehlverstanden und gekreuzigt, als wäre er der arme Jesus Christus selbst. Wo wir schon bei Jesus sind, Frank Herbert hat mit Paul Atreides natürlich eine ganz andere Erlöserfigur erschaffen, die in diesem Fahrwasser steht, der zwar nicht auf dem Wasser gehen kann, so aber auf Sandwürmern surfen, was mindestens genauso beeindruckend ist.
Mehr zu Dune zu schreiben, ist immer zu wenig und alle die Dune kennen, werden wissen, dass dieser eigentlich verhunzte Film auf den ersten Blick einer der großen SciFi-Höhepunkte der 80er ist. Gerade bezüglich der Special Effects sollte man hier bei manchem etwas gnädig sein, bei anderen Dingen aber staunen, was hier an Liebe und Können reingesteckt wurde. Produktionshickhack hin oder her, ob Ridley Scott eine bessere Version gebracht hätte oder doch Jodorowsky, lassen wir einfach dahingestellt. Villeneuve hat jedenfalls bewiesen, dass Dune ins neue Jahrtausend perfekt geholt werden kann und sich dabei durchaus auch an Lynch orientiert, was wirklich beeindruckt. Betrachtet man sich die Neuverfilmung von 2021 mit ihrem ersten Teil, dann kann man gerade beim hier vorliegenden Werk von David Lynch sehen, wie gut die Geschichte filmisch auf beiden Seiten erzählt wird. Bei Lynch fällt leider die zweite Hälfte etwas ab, da sie mehr Zeit gebraucht hätte, die Villeneuve sich nun nehmen kann. Produzenten und Filmstudios, sowie der Zeitgeist sind eben nicht immer leicht und man kann das mitunter etwas in der TV-Edition nachvollziehen, wenn auch qualitativ misslungen.
Wie gesagt, es könnte noch viel mehr gesagt werden, nachgelesen werden kann vieles. Koch Films jedenfalls haben mit ihrer Ultimate Edition die für mich perfekte Verpackung für diesen wundervollen Science Fiction Film erschaffen, die komplett überzeugt. Transparente Acrylglasbox mit Schiebefach, welche glücklicherweise nicht den Schmerz enthält, sondern das Hauptwerk als neue 4K-Abtastung, die gerade auch aufgrund des Alters zeigt, was UHD und 4K kann, Stichwort Dünen, Sterne, Gesichter. Dazu gibt es natürlich die Kinoversion auf Blu-ray und zwei weitere Blu-rays in Extradigipak mit pickepackevollem Bonusmaterial, einer luziden neuen Dokumentation, einem coolen Feature zum Merchandise aus der Netflix-Serie The Toys That Made Us, und und und… Den Abschluss bildet die kontroverse TV-Version und die Fan-Version Spicediver Cut, ein Fotobooklet, eine Comic-Version und der große Soundtrack.
Wie gesagt, hier handelt es sich um eine nahezu perfekte Veröffentlichung eines echten Liebhaberfilms, mit dem neuere Generationen auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so viel anfangen können, aber ich möchte abschließend nur darauf hinweisen, dass Kyle MacLachlan und Thimotée Chalamet in den Filmen dasselbe Alter haben. Braucht sich also niemand über eine altbackene Version beschweren, sondern um eine Version vor der heutigen Zeit.
Perfekte Veröffentlichung eines verschmähten SciFi-Klassikers.
(Vorbesteller haben ein wunderschönes Blechschild mit zwei Motiven erhalten, das aufgrund seiner Qualität wirklich ein edles Goodie für die lange Wartezeit ist. Danke, ihr Köche! :-)
Vielen Dank für dieses Review
Aber der Schreibstil ist absolute Geschmackssache