[Review] What Remains of Edith Finch
Vorab: Als Basis für diese Kritik diente ein Download aus dem Nintendo E-Shop.
Inhalt
Die Geschichte der Familie Finch ist belastet von tragischen Schicksalen. Über Generationen hinweg schieden diverse Familienmitglieder viel zu früh aus dem Leben. Als 17 jährige Edith seid ihr die letzte Überlebende der Familie Finch. Eure Mutter hat euch einen Schlüssel für das verlassene Familienanwesen vermacht, ohne euch darüber zu informieren zu welchem Schloss er passt. Ihr, als Edith, wisst auch lediglich, dass sämtliche Familienmitglieder verstorben sind. Die genauen Umstände sind euch allerdings nicht bekannt. Eure Mutter hat dafür gesorgt, dass diese Info´s nie zu euch durchdringen. Nun liegt es also an euch die Geschichte eurer Familie zu ergründen und herauszufinden, zu welchem Schloss der Schlüssel passt…
Für den Anfang wird es trocken
Da es im Kern von What Remains of Edith Finch um die Story und Atmosphäre geht, möchte ich erst unter der nächsten Überschrift darauf eingehen und hier erstmal ein paar Worte über die technische Umsetzung verlieren.
Das 2017 erschienene Game wurde von dem Indie-Studio Giant Sparrow entwickelt. Ich betone das so damit euch bewusste wird, dass hier kein großes Entwicklerstudio mit fettem Budget für das Spiel verantwortlich war. Entsprechend kann die Grafik auch nicht mit Triple-A Titeln mithalten. Dennoch wurde das bestmögliche aus der Unreal 4 Engine herausgeholt. Die Außenareale wirken stimmig und im inneren des Hauses (wo ihr euch die meiste Zeit über aufhaltet) hat man viel Liebe zum Detail bewiesen. Lediglich die Darstellung von Fenstern und Spiegeln, sowie ein paar matschige Texturen lassen das vergleichsweise geringe Budget erkennen. Außerdem habe ich bei der Switch-Version einige Slow-Downs und Hänger festgestellt, besonders wenn die Autosave-Funktion sich meldet, ein neuer Bereich geladen wird (was im Spiel passiert und ohne Ladebildschirm auskommt) oder mal etwas mehr auf dem Bildschirm los ist. Zu Abstürzen, Glitches oder Freezes kam es allerdings nie.
Tontechnisch feuert man aber aus allen Rohren. Egal ob draußen der Wind durch die Bäume des Waldes pfeift, es leicht anfängt zu regnen oder man im Haus eine knarzende Treppe betritt, alles hört sich wunderbar realistisch und stimmig an.
Die Steuerung empfand ich als ein kleines Manko. Man steuert Edith, in der Ego-Perspektive, zwar geschmeidig durch die Umgebung, die Entwickler haben aber auf eine Sprint-Funktion verzichtet, was für mich unverständlich ist. Okay, man wollte wahrscheinlich vermeiden, dass man einfach durch die Spieleumgebung flitzt und dabei elementare Informationen der Handlung verpasst. Ebenso geht bei einem Durchhetzen die Atmosphäre ein Stück weit flöten, aber dennoch bewegt sich Edith derart langsam, dass es besonders am Anfang, wenn man noch ein ganzes Stück durch den Wald zurücklegen muss, negativ auffällt. Auch wenn man im Haus von einem Stockwerk ins nächste will, die Bilder und Gegenstände des Treppenhauses aber schon auswendig kennt, kommt diese Behäbigkeit unangenehm zur Geltung. Glücklicherweise kommen solche Passagen, in der 2-3 stündigen Spielzeit, nur selten vor.
Ein weiterer Kritikpunkt ist das komplette Weglassen von Steuerungserklärungen. Klar zieht What Remains of Edith Finch seine Faszination aus dem Storytelling und der aufgebauten Atmosphäre (worauf ich später eingehe), wodurch Steuerungseinblendungen stören würden, da sie den Spieler aus der Immersion reißen. Dass die Steuerung und Button-Belegung jedoch noch nicht mal im Spielmenü angegeben sind erschließt sich mir nicht ganz. So ist man gerade anfangs dazu angehalten, selbst herauszufinden welcher Knopf welche Funktion hat.
Diese Punkte fallen zwar auf, schädigen der Spielerfahrung aber glücklicherweise nicht nachhaltig. Denn What Remains of Edith Finch ist…
Ein erzählerisches und emotionales Brett
Grundsätzlich ist das Game dem Genre Adventure zuzuordnen. Man steuert Edith aus der Ego-Perspektive durch die Umgebung. Spielerisch ist das Alles sehr simpel gehalten. Es gibt keine Kämpfe, keine Gefahren, ihr könnt nicht sterben und auch sonst nichts falsch machen, was zu einem „Game Over“-Bildschirm führen könnte. Eure Aufgabe ist es „lediglich“, die Zimmer eurer verstorbenen Familienmitglieder zu durchsuchen und deren Tod zu ergründen. Da aber alle Räume der jeweiligen Personen versiegelt wurden nachdem sie gestorben sind, müsst ihr immer einen alternativen Weg hinein finden. Das ist mit kleineren Rätseln verbunden, welche aber nie wirklich knifflig sind. Habt ihr im jeweiligen Zimmer den entscheidenden Hinweis gefunden, nehmt ihr des öfteren die Sicht der betreffenden Person kurz vor, bzw. zum Zeitpunkt des Todes ein. Dies ist auch mit kleineren, lösbaren Rätseleinlagen verbunden. Wirklich schwer ist das Spiel aber nie. Will es aber auch nicht sein. Ihr sollt euch als Spieler voll und ganz auf die Handlung und die dichte, melancholische Grundstimmung konzentrieren. Und da lässt das Game auch seine Muskeln spielen.
Der traurige, sich in den Körper schleichende Soundtrack von Jeff Russo (der unter anderem auch den Soundtrack zu Serie Fargo komponiert hat) sitzt, hallt nach und ist fast durchweg zu hören. Akustisch wird eine, über das ganze Spiel anhaltende, Schwermütigkeit erzeugt.
Und Diese wird durch die Handlung weiter verstärkt. Unter den Todesopfern befinden sich nämlich auch Kinder unterschiedlicher Altersklassen. Und gerade diese Passagen sind schwer zu schlucken. Oftmals werden diese Sequenzen aus der Weltsicht eines Kindes, oder dessen Fantasie dargestellt. Als Erwachsener Spieler weiß man aber genau was da gerade passiert. Selten hat mich eine Videospielerfahrung so oft zum schlucken, schluchzen und/oder weinen gebracht. Dabei wirken diese Szenen aber nie aufgesetzt oder ausbeuterisch. Jeder Tod wird mit dem nötigen Respekt dargestellt. Dialoge gibt es im übrigen nicht wirklich. Edith spricht im Off, was akustisch zu hören und als Untertitel an besondere Punkte in der Spielewelt eingearbeitet wird. Dies ist visuell wirklich clever und sehenswert umgesetzt. Das Game ist übrigens komplett auf englisch mit deutschen Untertiteln.
So wandelt man als Edith von Zimmer zu Zimmer. Lernt nach und nach die Wahrheit hinter dem angeblichen Familienfluch kennen. Und hier werden viele Themen angesprochen. Themen, die in jeder Familie vorkommen können. Themen, die im besten Fall angesprochen, in den meisten Fällen aber leider tot geschwiegen werden. Es geht um die Folgen eigener Handlungen. Um das Abwägen ob man Wahrheiten offen kommunizieren, oder zum vermeindlichen Schutz vor seinen Lieben verheimlichen sollte.
Durch das bereits Erlebte kann man es sich zwar schon denken, aber das Finale des Spiels hat dann nochmals eine emotionale „Überraschung“ parat, bei welcher dann alle Dämme brechen sollten. Entsprechend sollte man vor dem Spielen genau wissen worauf man sich einlässt!
Für wen ist dieses Game lohneswert?
Da What Remains of Edith Finch spielerisch komplett simpel aufgebaut ist, kann es auch von Videospiel-Unerfahrenen locker gespielt werden. Für Gamer die auf spielerische Herausforderungen stehen ist diese Nummer komplett ungeeignet. Das war aber auch nie der Anspruch des Spiels. Hier geht es darum den Spieler komplett in eine super gestaltete, extrem gut erzählte und tieftraurige Welt zu entführen. Dies ist auch mit Bravour gelungen und What Remains of Edith Finch gleicht dadurch mehr einer Erfahrung, denn eines Videospiels. Man wird komplett in diese Welt, in diese Handlung gezogen und meint es nach einer Zeit selbst zu erleben. Ein Kunststück, welches in dieser Form nur von Videospielen erreicht werden kann.
Habe ich vor 6 Jahren oder so durchgespielt.
War eins der besten Indie spiele, die ich jemals gespielt habe.
Noch besser fand ich nur ether one.