[Review] Hate Crime DVD Amaray
Vorwort
Mit Hate Crime bewegen wir uns dieses Mal im Bereich des Underground-Films. Da warscheinlich nicht jeder von Euch etwas mit diesem Begriff anfangen kann, werde ich erstmal ein paar Worte über diese Sparte der „Unterhaltung“ verlieren. Ein kommerzieller Kinofilm, auch Mainstream-Film genannt, folgt bestimmten filmischen Regeln. Sowohl was die Handlung, als auch die Inszenierung betrifft. Ziel ist es, möglichst viele Menschen in die Kinos zu locken. Folglich wird versucht, auch möglichst viele Geschmäcker zu bedienen. Dies wiederum hat zur Folge, dass kaum Risiken eingegangen werden. Satt inszenierte Action, Romantik, Humor, eine leicht zu folgende Handlung. Dies alles sind Beispiele für Faktoren, die in einem Mainstream-Film vorhanden sein sollten. Viele Menschen reagieren allerdings recht dünnhäutig, wenn man die Worte „Mainstream“ oder „kommerziell“ in den Mund nimmt. Hier plädiere ich aber dafür, dass sich niemand schämen muss, wenn man einen Streifen für die breite Masse gut findet oder diese Filme fast ausschließlich konsumiert. Geschmäcker sind verschieden. Diese Tatsache ist wichtig und zu akzeptieren. Ich persönlich fühle mich zwar eher zu den komplexen und unangenehmen Geschichten hingezogen, finde aber beispielsweise einen Top Gun: Maverick zwischendurch auch mal ganz unterhaltsam.
Wie sieht es jetzt aber mit Werken aus dem Underground aus? Ich sprach ja im vorherigen Absatz von gewissen filmischen Regeln im kommerziellen Bereich. Nun, im Underground, oder Amateurfilm, ist dies komplett umgedreht. Es gibt keine wirklichen Regeln. Keine Zugeständnisse ans Publikum um am Ende mehr Umsatz zu machen. Diese Werke werden von den Regisseuren und Drehbuchautoren (welche meistens diesselbe Person sind) selbst finanziert. Daraus folgt, dass sie ihre filmische Visionen, ohne Beschränkungen eines Produktionsstudios, umsetzen können. Hat man ein paar Filme aus diesem Bereich gesehen weiß man auch, dass es schwer bis unmöglich sein wird, dass Produzenten oder eine Filmförderung hier finanzielle Unterstützung leisten würden. Denn im Underground werden Tabuthemen behandelt, Grenzen gesprengt und der Zuschauer an seine Belastungsgrenze geführt. Der große Unterschied zwischen Mainstream und Underground ist also, dass die eine Seite versucht es allen recht zu machen um möglichst viel Gewinn einzufahren, während die andere Seite bewusst provozieren möchte und sich, frei von jeglichen Einschränkungen, künstlerisch auszudrücken versucht. Allerdings gibt es auch einen Punkt, welcher beide Seiten eint. Bei beiden Bereichen können Meisterwerke, sowie absoluter Schrott entstehen. Wo sich Hate Crime einordnet möchte ich Euch in den folgenden Zeilen, aus meiner Sicht, erklären.
Zum Film
Inhaltlich geht es um eine jüdische Familie (bestehend aus Vater, Mutter und drei Kindern), welche frisch in ihr neues Haus gezogen sind und gerade den Geburtstag ihres jüngsten Sohnes feiern. Die ausgelassene Stimmung wird aber recht zügig unterbrochen, als sich 3 Neo-Nazis Zutritt in das Haus verschaffen und im weiteren Verlauf des Streifens die Familie, in extremer Form, physisch, psychisch und sexuell tyrannisieren.
Puh….alleine bei dieser Ausgangssituation wird der/die Eine oder Andere von Euch bereits schlucken. Und ja, in dem Film ist ausschließlich das zu sehen, was ich in den Zeilen des vorherigen Absatzes erläutert habe. Jetzt erinnert Euch an das, was ich über die Inszenierung von Underground-Filmen geschrieben habe und Ihr bekommt einen ungefähren Eindruck von dem was Euch erwartet. Aus Spoilergründen werde ich jetzt nicht auf die diversen, sadistischen Szenen eingehen. Ich garantiere aber, dass dieser Film bei sehr vielen Leuten die Grenzen des Erträglichen sprengen wird. Gerade wenn man noch gar keine Berührung mit dieser Art Streifen gehabt hat. Deswegen an dieser Stelle eine eindringliche Warnung von meiner Seite! Solltet Ihr schon bei der Inhaltsangabe ein flaues Gefühl, oder noch nie einen Underground-Film gesehen haben, dann lasst die Finger davon! Hier wird der Zuschauer gezielt provoziert. Man wird mit krassen Emotionen und Bildern konfrontiert, die es gilt einzuordnen. Und es ist absolut keine Schande sich von diesem Bereich der „Unterhaltung“ fernzuhalten! Schätzt Euch selber ein, denn Ihr könnt das am besten. Underground-Filme sind derart speziell, dass sie nie pauschal empfohlen werden können!
Ich selbst bin durch einige Reviews auf diesen Film gestoßen. Besagte Kritiken sind fast durchweg positiv (einige Kritiker haben mit 10 Punkten gar die volle Punktzahl vergeben). Aufgrund der Thematik war es auch von Anfang an unwarscheinlich, dass Hate Crime in Deutschland erscheint. Da sich die Grausamkeiten über die kompletten 73 Minuten des Streifens ziehen, hätten auch Schnitte nichts gebracht. Schaut man sich jetzt mal die nüchternen Fakten an (fast durchweg gute Kritiken, eine krasse Grundthematik), sollte dem geneigten Filmfan eine Granate bevorstehen. Entsprechend angefixt war ich auch vor der Sichtung. Ob die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt waren, erkläre ich in den folgenden Zeilen.
Meine Meinung
Der damals erst 20 jährige Regisseur und Drehbuchautor James Cullen Bressack hat sich für den „Found Footage“ Stil entschieden um den Film zu visualisieren. Diese Tatsache, gepaart mit dem „Home Invasion“ Genre, war schon ein cleverer Schachzug. Zum einen spart man mit dieser Methode einen Haufen Geld, und zu anderen sorgt man, im optimalen Fall, für Authentizität. Auch muss man dem Macher des Films zugute halten, dass er durchaus etwas aussagen wollte. Viele werden sich bei der Thematik (eine Bande Neo-Nazis tyrannisieren eine jüdische Familie) fragen, ob man so etwas überhaupt auf Film bannen sollte. Warscheinlich dachten sich das auch viele Freigabebehörden. Dabei wird allerdings außer acht gelassen, dass Bressack selbst Jude ist. Zusammen mit dem Filmtitel erschließt sich dann, dass es darum geht auf das Thema „Hassverbrechen“ aufmerksam zu machen. Dies hat Bressack in Interviews bestätigt und auch einige Schriftzüge am Ende des Streifens weisen deutlich darauf hin. Und da wir uns im Underground befinden, wurden in der „Kreativität“ der sadistischen Szenen keine Kompromisse gemacht.
Die Frage die sich jetzt stellt ist: Hat Bressack seine Intention umsetzen können und einen schockierenden Film abgeliefert, welcher die Zuschauer zum Nachdenken anregt? Meine Meinung dazu lautet ganz klar: Nein!
Warum das so ist werde ich jetzt Stück für Stück schildern.
Wie schon gesagt, war die Entscheidung den Streifen als „Found Footage“ anzulegen clever. Wir sehen, wie die Geburtstagsfeier des jüngsten Sohnes in einem Homevideo begleitet wird. Als wenig später die antisemitische Bande auftaucht, übernehmen sie die Kamera und zeichnen alles auf. Auch die ganze Reihe an Gewaltszenen sind an sich gut gewählt um den Zuschauer zu schocken. Auf dem Papier klingt alles gut und es hätte ein schonungsloser Schocker entstehen können. Leider schien dem Regisseur mit zunehmender Laufzeit das Projekt nach und nach zu entgleiten.
Natürlich muss man bei Amateur-Produktionen anders bewerten als bei kommerziellen Filmen. Dass die Schauspieler in solchen Produktionen nicht oscarreif agieren liegt auf der Hand. Auch sollte man die „billige“ Optik und kleinere Fehler bei solchen Werken verzeihen können. Häufen sich aber diese Punkte, stinkt irgendwann auch eine Amateurproduktion ab.
So performen die Darsteller anfangs gar nicht mal schlecht. Die Familie kommt authentisch rüber und auch auf Seiten der Täter überkam mich ein bedrohliches Unbehagen. Dies zerbröselte aber nach und nach. Auf Seiten der Opfer wird meist nur hysterisch gewimmert. Bedenkt man, dass bereits recht früh im Film eine sehr drastische Tat zu sehen ist, ist das Verhalten der Familienmitglieder auf Dauer nur noch schwer nachvollziehbar. Beispielsweise soll der Darsteller des älteren Sohnes (welcher im Verlauf einiges erleiden muss) Gefühle wie Angst, Panik, Schmerz und Verzweiflung darstellen. Meist sitzt er aber nur mit zusammengekniffener Miene da und wackelt permanent mit den Beinen. Lässt man außer acht was gerade so alles passiert, könnte man meinen, dass er lediglich mal dringend auf die Toilette muss. Auf der Antagonisten-Seite ist es leider nicht besser. Besonders zwei der Darsteller driften im Verlauf der Handlung in immer peinlicheres Overacting ab. Drückt man beide Augen zu, könnte man sich deren Verhalten noch mit dem gezeigten, ausgiebigem Drogenkonsum erklären. Mir war das aber einfach zu drüber. Damit passierte bei mir auch das, was bei einem derartigen Film nicht passieren darf. Es wurde mir zu albern. Entsprechend konnte ich das Gesehene nicht mehr ernstnehmen und die, vom Macher des Films gewünschte, Schockwirkung sank Richtung Null.
Auch bei dem Ablauf der Handlung häufen sich leider die Ungereimtheiten. Es wirde suggeriert, dass alles, ohne Schnitt, in einem Rutsch gefilmt wurde. Kennt man sich aber ein bisschen mit dem Filmschnitt aus erkennt man recht schnell, dass sehr wohl etliche Schnitte gesetzt wurden (man achte auf die Szenen, in denen die Kamera zu einer anderen Person weitergereicht wird). Das ist aber an für sich kein Kritikpunkt. Worauf ich hinaus will ist, dass Szenen die in bestimmten Zimmern des Hauses stattfinden sollen vorbereitet werden müssen. Bressack entschied sich daher, den Fokus der Handlung auf einen gewissen Bereich zu fokussieren, sodass in einem anderen Bereich die nächste Szene vorbereitet werden kann. Leider versagte er dabei öfters bei der Plausibilität. Ich fragte mich des öfteren warum die Charaktere (auf beiden Seiten), zum Teil völlig unlogische Wege gehen und Handlungen vollziehen. Hinter der Kamera macht das schon Sinn, da man einen Grund brauchte um das nächste Set vorzubereiten. Aber als externer Zuschauer kratzt man sich vermehrt am Kopf, da man gewisse Handlungen nicht wirklich nachvollziehen kann. Und so summieren sich die Fehler und Ungereimheiten im Verlauf immer mehr. Letzten Endes torpediert Bressack damit die Aussage, die er mit Hate Crime eigentlich treffen wollte.
Man soll ja Filme eigentlich nicht mit anderen Werken vergleichen. Hate Crime erinnerte mich aber stark an den spanischen Film Kidnapped aus dem Jahr 2010. Und im direkten Vergleich muss Bressack´s Film noch mehr Federn lassen. Denn Kidnapped ist von Anfang bis Ende ein extrem harter und verstörender Schocker. Ein Film, bei welchem man noch nach dem Abspann fassungslos vor dem Fernseher sitzt. Ein Film den man nicht wieder vergisst. Alles Punkte die Bressack sehr warscheinlich erreichen wollte, in meinen Augen aber gescheitert ist.
Wenn jetzt die Gorehounds unter Euch sagen, „hey, aber da sind ja noch die sadistischen Gewaltszenen drin“, dann muss ich Euch enttäuschen. Ja, der Inhalt dieser Szenen ist schwer zu schlucken. Das meiste passiert allerdings im Off und man sieht lediglich das Resultat. Die wenigen On-Screen Gewaltszenen sind zudem noch leicht als Trick erkennbar. Bressack sagte zwar mal, dass er es den Köpfen der Zuschauer überlassen will, ich habe aber eher die Vermutung, dass mangelndes Budget und wenig Erfahrung der eigentliche Grund für diese Entscheidung waren.
Dennoch halte ich James Cullen Bressack nicht für unfähig. Dass er Stellung zu einem schwierigem Thema beziehen wollte, will ich ihm nicht absprechen. Auch die Grundidee des Films und wie er es visuell umgesetzt hat ist nicht dumm. Und kleine Produktionen, von Filmemachern die mit Herzblut dabei sind, haben bei mir sowieso ein Stein im Brett. Der Macher des Films war mit 20 Jahren aber eben auch noch recht jung und unerfahren. Hätte er noch ein bisschen Erfahrung mit Kurzfilmen erlangt, und sich ein paar Jahre später an dieses Projekt gewagt, wäre warscheinlich ein wesentlich besserer Film entstanden. So kann ich nur sagen, dass ich die zahlreichen guten Bewertungen nicht nachvollziehen kann. Aber wie ich bereits schrieb, Geschmäcker sind verschieden und das ist zu akzeptieren!
Bild
Da es sich um ein Fake-Homevideo handelt, ist die Bildqualität entsprechend grob. Dies ist aber beabsichtigt und dient der angestrebten, authentischen Darstellung. Hier wurde alles richtig gemacht.
Ton
Auch hier wird sich dem Found Footage-Stil angepasst. Auf Filmmusik wird konsequenterweise verzichtet. Nur einige Soundeffekte, wie das Abfeuern einer Schusswaffe, wirken sehr schwach. Da es sich um eine Veröffentlichung aus den USA handelt, ist auch nur eine englische Tonspur enthalten. Untertitel gibt es keine.
Bonusmaterial
Dieses fällt mit einem Audiokommentar (Regisseur und Darsteller), einer Behind The Scenes Featurette und 4 Trailern ganz solide aus.
Gerne!
Den, in der Kritik erwähnten, „Kidnapped“ kann ich dir aber wärmstens empfehlen. Der sollte was für dich sein. :)
Super, danke, ist vorgemerkt:-D
Eieiei, ich glaube da bin ich raus. Alleine schon wegen der Mängel an der Story. Aber danke für die Vorstellung, bei Maverick musste ich lachen:-D