[Review] Skinamarink im Mediabook (Blu-ray und DVD)

[Review] Skinamarink im Mediabook (Blu-ray und DVD)
6.1
Zusammenfassung: Dieses eigenwillige Filmexperiment spaltet die Filmfans und wird es auch weiterhin machen. Skinamarink ist abseitig, anstrengend und sperrig. Wenn man sich darauf einlassen kann, ist der Film aber auch bedrückend, klaustrophobisch, schockierend, intensiv und hochgradig unangenehm. Für mich einer der innovativsten und besten Horrorfilme der letzten Jahre. Das Mediabook ist dabei, passend zum Film, schick designt und verarbeitet. Das Bonusmaterial könnte aber umfangreicher sein.

Inhalt

Der vierjährige Kevin und seine Schwester Kaylee verbringen den Abend mit ihrem Vater. Doch mitten in der Nacht ist ihr Papa plötzlich verschwunden. Auch von ihrer Mutter fehlt jede Spur. Die Fenster und Türen ihres Zuhauses verschwinden zum Teil. Gegenstände hängen plötzlich an der Decke. Die Geschwister versuchen sich abzulenken indem sie Cartoons im Fernsehen schauen oder mit ihren Spielsachen spielen. Sie wollen warten bis ihr Vater wieder auftaucht. Doch deren Papa scheint weg zu sein. Stattdessen spricht aus den Schatten des spärlich beleuchteten Hauses eine Stimme zu ihnen. Diese Stimme möchte mit den Geschwistern spielen. Schon bald fängt sie jedoch an, Kevin und Kaylee Aufgaben zu erteilen. In einem Haus in dem es keine Ausgänge mehr zu geben scheint, sind die kleinen Kinder auf sich allein gestellt…

 

Die Albträume eines Kindes

Wir alle kennen sie. Wir alle hatten sie. Albträume als Kind. Klar kann das auch im Erwachsenenalter noch vorkommen, in der Regel wissen wir aber damit umzugehen, es sogar ein Stück weit zu steuern. Als Kind ist man seinen Träumen aber erstmal ausgeliefert. Das Geträumte rational einzuordnen ist für ein Kind verdammt schwer, anfangs gar nahezu unmöglich. So kann auch ich mich noch an einen bestimmten Albtraum als Kind erinnern. Dieser blieb bis heute so gut in Erinnerung, da ich denselben Traum, eine Zeit lang, immer und immer wieder hatte. Ich wachte panisch auf, bekam schwer Luft und musste mich, in der Dunkelheit meines Zimmers, erstmal sammeln. Dieser Traum war dabei nicht blutig, oder von Gewalt geprägt. Er bestand auch nicht aus diversen Schreckmomenten. Der Traum war einfach nur erdrückend, hoffnungslos und extrem unangenehm. Aber warum erzähle ich das? Weil es ein wichtiger Bestandteil ist um Skinamarink zu verstehen und schauen zu können! Denn der Regisseur, Drehbuchautor und Cutter Kyle Edward Ball hat mit diesem Streifen etwas extrem Interessantes geschaffen. Auf seinem YouTube-Kanal hat er User aufgerufen, ihm ihre schlimmsten Albträume zu schildern. Diese wollte er nach und nach als Kurzfilme verfilmen. Dabei fiel ihm auf, dass es bei den unterschiedlichen Albträumen, aus der Kindheit der User, diverse Schnittstellen gibt. Diese bestehen aus „der Abwesenheit der Eltern“, „Dunkelheit“, „einer bestimmten Bedrohung“ und das es sich „im oder um dem eigenen Zuhause abspielt“. Ich bemerkte, dass diese Schnittstellen auch in meinem Albtraum aus der Kindheit eine wesentliche Rolle spielten. So machte sich Ball also daran, seinen ersten Langfilm zu realisieren. Dabei nahm er die Albträume der User als Basis. Das Budget bestand aus rund 15000 Dollar, welches Ball durch Crowdfunding bekam. Da er somit unabhängig arbeiten konnte, konnte er seine Vision auch nach eigenem Ermessen umsetzen. Und eins vorweg: Er scherte sich nicht um irgendwelche Genre-Standards, diverse Normen der Filmkunst oder was dem Publikum gefallen könnte. Was der junge Regisseur hier auf die Welt losgelassen hat ist nicht weniger als…

 

Ein audiovisueller Albtraum

Wenn ihr bei einem Horrorfilm Wert auf Gewalt, Jumpscares und/oder eine strukturierte Handlung legt, dann könnt ihr meine Kritik jetzt abbrechen, denn Skinamarink besitzt keine dieser Attribute. Auch die Umsetzung dürfte Viele abschrecken. Es gibt zwar die Kinderdarsteller, und zwischendurch auch noch zwei Erwachsene, aber sie sind während dem 100 Minuten langen Film nie in Gänze zu sehen. Das Meiste was man von den Kindern zu sehen bekommt, sind ihre Füße. Wie sie stehen, laufen oder sitzen. Alle Menschen in diesem Film wirken schemenhaft angerissen. Entsprechend können die schauspielerischen Leistungen auch nicht bewertet werden. Die Räume des Hauses sind zudem schlecht beleuchtet. Auf zusätzliches künstliches Licht wurde komplett verzichtet, wodurch die Zimmer oftmals nur durch eine kleine Lampe, oder dem Flimmern des Fernsehers so etwas ähnliches wie „Helligkeit“ bekommen. Manchmal tappt man aber auch komplett im Dunkeln. Dazu wurde noch ein extremer Grieselfilter über das Bild gelegt, dessen Rauschen durchweg zu hören ist und der die Umgebung noch zusätzlich undurchsichtig erscheinen lässt. Die Kameraeinstellungen sind dabei die meiste Zeit starr. Etwa wie Überwachungskameras, die im kompletten Haus verteilt sind. Der Clou ist jedoch, dass diese Kameras selten wirklich etwas einfangen. Entweder liegen sie auf dem Boden, oder hängen scheinbar an der Decke. Dabei filmen sie meist nur einen kleinen Radius um sich herum. Oftmals sind auch nur die Ecken eines Türrahmens, oder ein kleiner Teil des Fernsehbildes zu sehen. In seltenen Fällen bewegt sich auch mal die Kamera, damit der Zuschauer einen neuen Blickwinkel bekommt. Aber selbst diese neue Sicht offenbart keine neuen Erkentnisse oder zusätzliche Bildinformationen. Es wird konstant mit dem Zuschauer gespielt. Sein Fokus auf etwas gestoßen, was letzten Endes keinen Sinn ergibt.

In dieses wirre Bild gesellt sich auch die akustische Untermalung. Die Kinder kommunizieren miteinander, sowie mit der Stimme aus den Schatten. Aber sämtliche Dialoge wirken asynchron. Durch das ständige Bildrauschen ist das gesprochene Wort manchmal schwer zu verstehen. Hinzu kommt, dass während der seltenen Gespräche visuell in andere Zimmer geswitcht wird, wodurch alles noch dumpfer zu vernehmen ist. Manchmal hört man auch niemanden mehr sprechen und der Dialog wird mit festen Untertiteln fortgeführt. Das führt dazu, dass der Zuschauer kontinuierlich mürbe gemacht wird. Dadurch ist der Streifen sehr anstrengend und sperrig. Und ich kann wirklich jeden verstehen, der mit Skinamarink absolut nichts anfangen kann. Der Film ist wirklich auf ein kleines Klientel von Filmfans ausgelegt. Um etwas Gutes in dem Werk zu sehen, muss man die Entstehungsgeschichte kennen, verstehen was es darstellen will und Freude am Interpretieren haben.

 

Was hat das mit Horror zu tun?

Keine Gewalt, keine Jumpscares, keine klare Handlung. Wie soll da Horroratmosphäre aufkommen? Das werden sich ein paar von euch sicherlich fragen. Und tatsächlich ist das etwas schwer zu erklären, da es auch keine wirklichen vergleichbaren Referenzen gibt. The Blair Witch Project kommt da vielleicht noch am ehesten in Frage. Dieser Kulthorrorfilm hat es ebenfalls geschafft, ohne den Einsatz von Gewalt oder Schreckmomenten zu gruseln. Dennoch ist Skinamarink wesentlich abseitiger und eigener. Ich verwendete unter anderen das Wort „schemenhaft“, sowie die Bezeichnung „ergibt keinen Sinn“. Spiegelt man das auf die Inhalte der eigenen Albträume, ergibt sich plötzlich durchaus ein Bild. Albträume im Kindesalter sind meistens durchzogen von Dunkelheit, Einsamkeit, schemenhaften Darstellungen und ergeben auf den ersten Blick wenig Sinn. Die Abwesenheit der Eltern weist deutlich auf Verlustängste hin. Man ist als Kind, in einem Albtraum, auf sich alleine gestellt. Die Dunkelheit wirkt bedrohlich. Besonders im oder um dem eigenen Zuhause. Der eigentlich sichere Ankerplatz wird zur Bedrohung. Eine Bedrohung die man als Kind aber nicht definieren kann. Man kann sie nicht greifbar machen. Die Bedrohungen sind nicht klar zu erkennen. Sie sind schemenhaft. Versteckt in der Dunkelheit. Versteckt in den Schatten. Und genau das ist es, was Skinamarink ausmacht. Ein auf Film eingefangener Albtraum! Ball streute aber dennoch einige Informationen ein, um das Gesehene interpretieren zu können. Aufgrund von Spoilern möchte ich nicht tiefer darauf eingehen, aber grob zusammengefasst werden Themen wie physiche Traumata, Kindesmissbrauch oder Gewalt in der Familie angerissen. Dabei legte sich der Regisseur aber nicht auf eine definitive Interpretation fest. Er hat absichtlich mehrere Fährten gelegt, damit es jeder Zuschauer individuell für sich interpretieren kann. Dabei gibt es weder ein klares Richtig oder Falsch. Diese Tatsache, verbunden mit der fiesen audiovisuellen Wucht, ergibt am Ende quasi einen Horrorfilm in seiner reinsten Form. Falls ihr euch für eine Sichtung entscheidet empfehle ich euch: Schaut den Film alleine. Dunkelt euer Zimmer bestmöglich ab und setzt euch Kopfhörer auf! Solltet ihr für diesen experimentellen Streifen offen sein, dann erreicht ihr so die maximale Wirkung!

 

Kritikpunkte

Da könnte man sicher einiges aufzählen, was daran liegt, dass der Film polarisiert und wirklich sehr schwierig ist. Viele fanden ihn langweilig. Andere empfanden ihn als zu lang und hätten einen Kurzfilm sinniger gefunden. Ich persönlich mag das Werk einfach und finde Skinamarink weder langweilig, noch empfinde ich ihn als zu lang. Nur bei einer Sache muss ich einen Punkt abziehen. Der Film startet nämlich quasi mit dem Abspann. Das ist an sich eine coole Idee und für den Film tatsächlich sinnig. Leider finden sich in diesem „Abspann“ auch Informationen wie „dieser Film wurde unter Einhaltung der Covid 19 Maßnahmen gedreht“ wieder. Durch diese Informationen wird man bereits zu Beginn etwas aus der Immersion gezogen. Man wird im Grunde darauf hingewiesen, dass alles nur ein Film ist. Das verfliegt zwar schnell, aber gerade zum Beginn eines Horrorfilms ist so etwas eher wenig förderlich. So gesehen wäre es besser gewesen, den Zuschauer direkt ohne Informationen in diesen Albtraum zu schmeißen. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Letzen Endes hat Ball hier einen super Langfilm-Einstand hingelegt und ich hoffe, dass wir noch einiges von ihm zu sehen bekommen!

 

Bild und Ton

Auch zwei Punkte die sehr schwer zu bewerten sind. Denn Bild, wie Ton sind durchweg schlecht. Allerdings mit voller Absicht des Regisseurs, da somit der gewünschte Effekt erzielt wird. So komisch es klingt, aber das schlechte Bild und der grottige Sound sind in diesem speziellen Fall absolute Pluspunkte! Dabei macht es keinen wirklichen Unterschied ob ihr die DVD oder die Blu-ray schaut.

 

Bonusmaterial

Auf den Disc´s befinden sich der Trailer zu Skinamarink, sowie Trailer zu drei anderen Filmen. Außerdem noch ein informativer Audiokommentar von Kyle Edward Ball und dem Kameramann Jamie McRae (allerdings ohne deutsche Untertitel) . Das Alles ist aber auch in den Standard-Varianten verfügbar. Exklusiv im Mediabook gibt es ein 23 seitiges Booklet, welches ein Interview mit Ball (geführt von Marco Heiter) enthält. In diesem Interview geht der Regisseur auf seine filmischen Einflüsse ein, sowie auf seine Zukunftspläne. In der Summe erfüllt das Bonusmaterial gerade so den Standard, mehr aber eben leider nicht.

 

Verpackung

Das schicke Mediabook (von Capelight- und Plaion Pictures) ist, entsprechend des Films, wirklich kreativ designt worden. Die Veröffentlichung wirkt wie ein altes, abgeranztes Buch. Es ist komplett matt, grobporig und optisch schwammig gehalten. Außerdem wird, wie im Film, innovativ mit der Oben/Unten Darstellung gespielt. Das spiegelt sich auch im Design des Booklets wieder. Hier hat man sich wirklich Gedanken gemacht.

 

Technische Details

Blu-ray
2,39:1 (1080p)
DVD
2,39:1 (16:9)

Tonspuren

Blu-ray
Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1
Englisch DTS-HD Master Audio 5.1
DVD
Deutsch Dolby Digital 5.1
Englisch Dolby Digital 5.1

Untertitel

Deutsch

Bonusmaterial

– Kinotrailer von Skinamarink
– Audiokommentar von Regisseur Kyle Edward Ball und Kameramann Jamie McRae (ohne deutsche Untertitel)
– Trailer zu 3 weiteren Filmen
– 23 seitiges Booklet

8.1 Gesamtwertung
Skinamarink

Dieses eigenwillige Filmexperiment spaltet die Filmfans und wird es auch weiterhin machen. Skinamarink ist abseitig, anstrengend und sperrig. Wenn man sich darauf einlassen kann, ist der Film aber auch bedrückend, klaustrophobisch, schockierend, intensiv und hochgradig unangenehm. Für mich einer der innovativsten und besten Horrorfilme der letzten Jahre. Das Mediabook ist dabei, passend zum Film, schick designt und verarbeitet. Das Bonusmaterial könnte aber umfangreicher sein.

Umsetzung
9.0
Story
8.5
Bildqualität
9.0
Tonspuren/ Tonqualität
9.0
Ausstattung/ Bonusmaterial
4.0
Verpackung/ Edition
9.0
PROS
  • innovative und klasse umgesetzte Filmidee
  • audiovisuell so genial wie zermürbend
  • wirre, aber wundervoll interpretierbare Handlung
  • schickes und passendes Mediabook
CONS
  • vergleichsweise wenig Bonusmaterial
  • Audiokommentar ohne deutsche Untertitel

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4 Kommentare
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Mitglied
The Real Ash
9. November 2023 16:02

Ok, ich habe jetzt ja schon einige Empfehlungen und Nicht-Empfehlungen gehört, aber deine Review überzeugt mich jetzt doch, es zu probieren, vor allem natürlich weil ich deinen Geschmack ja weitgehend teile. Danke, darauf hab ich jetzt doch Lust bekommen:-D

Mitglied
The Real Ash
21. November 2023 21:00
Antwort an  Philipp

Alter Verwalter, was für ein Brett!!! Jetzt habe ich deine hervorragende Review noch einmal gelesen und kann voll und ganz nachvollziehen, warum dir das so schwergefallen ist, letztlich hast du es aber super getroffen, auch wenn ich immer noch was ganz anderes erwartet habe.
DAS IST GANZ GROße FILMKUNST!!! Vielen Dank, dass du mir den nahegebracht hast, da ich den sonst nicht geschaut hätte. Habe ihn mir günstig auf amazon geholt und verdammt, jetzt muss ich mir aber doch das Mediabook holen. Das ist wirklich mal ein experimenteller Horrorfilm, wie ich ihn so noch nicht oft gesehen habe. Begotten würde ich hier noch dazuzählen.
Ein Film, der sicher spaltet und mit dem viele nichts anfangen können, aber das ist voll meins:-D

Gast
tp-industries
22. November 2023 10:23
Antwort an  The Real Ash

Freut mich wirklich das dir der Streifen so zusagt. Ich teile deine Meinung und den Rest hast du in deinem Kommentar schön zusammengefasst. :)

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